März – Dezember 2021

Mehr als ein Jahrzehnt lang faszinierte Joseph (Jo) Siffert die ganze Schweiz bis zu seinem tragischen Tod in Brands Hatch am Sonntag, 24. Oktober 1971.

Neben seinen beruflichen Aktivitäten als Inhaber von zwei Garagen in Freiburg, (Vertretung der Marken Porsche und Alfa Romeo) fand Jo Siffert immer noch Zeit, sein fahrerisches Talent auf den Rennstrecken der Formel 1 und Formel2, bei internationalen Langstreckenrennen, in der CanAm Serie und bei Bergrennen zu zeigen. Es kam oft vor, dass er am selben Wochenende an mehreren Rennen im Einsatz war!

In der ihm gewidmeten temporären Sonder-Ausstellung (von März bis Dezember 2021) in den Räumlichkeiten des «Swiss Viper Museum» in Givisiez vor den Toren Freiburg’s, werden
insbesondere Rennautos aus seiner aktiven Zeit ausgestellt: Porsche Typ 917, Stanguellini, Lotus 22, Lotus 49B, BMW Formel 2, Chevron Formel 2 und BRM F1, mit denen Jo Siffert auf den Rennstrecken dieser Welt Erfolge erzielte und nicht nur seine Schweizer Fangemeinde begeisterte.

 

Meilensteine im Leben von Jo Siffert, 1936-1971

1936 - Am 7. Juli 1936 wird Joseph Siffert als erstes Kind einer bescheidenen Familie in Freiburg geboren, die Schwester Adelaïde, Marguerite und Therese werden später geboren. Die Missbildung eines Beines zwang Jo schon als Kind gegen diese Krankheit zu kämpfen und schon da zeigte er Mut und Willenskraft, was ihn dann später als Unternehmer und Rennfahrer auch auszeichnete.

1948 - Zusammen mit seinem Vater Alois besucht Jo den Schweizer GP auf der Bremgarten Rundstrecke. Das hat ihn früh geprägt und Joseph will seinen Vorbildern Farina, Wimille, Ascari und anderen Rennfahrern nacheifern, das Renn-Fieber hat ihn voll erwischt.

1952 - Lehre als Carrosseriespengler in einer Garage in Fribourg. Schon damals nahm er im Einverständnis seines Lehrmeisters verschieden Nebenjobs an um sich ein paar Franken für sein geplantes Engagement im Motorsport zur Seite zu legen.

1954 - Joseph fährt wieder zum GP Bern und beobachtet ja bewundert insbesondere den aus Freiburg stammenden Rennfahrer Benoît Musy. Später lackierte Jo seinen Helm wie sein grosses Vorbild Musy mit zwei weissen Streifen auf rotem Grund. 1954 besteht er auch die Fahrprüfung (Auto und Motorrad).

1956 - Joseph schliesst seine Lehre als Carrosseriespengler ab, und macht auf Betreiben von Michel Piller seine ersten Erfahrungen auf zwei Rädern. Er leistet seinen Militärdienst und wird aber infolge gesundheitlicher Probleme aus seiner Kindheit wieder schnell aus dem Dienst entlassen.

1957 - Joseph kauft ein Gilera 125 ccm Motorrad und bestreitet damit erste Rennen. Sein Vater missbilligt das worauf Jo das Elternhaus verlässt. Gegen Jahresende sucht der Schweizer Seitenwagenfahrer Edgar Strub einen Beifahrer für die kommende Saison und Joseph nimmt die Herausforderung an.

1958 - Joseph nimmt unter anderen Rennen auch an der Tourist Trophy mit einer Norton 350ccm teil. Er sammelt Erfahrungen mit Renneinsätzen im Ausland und beginnt sich im Rennsport einen Namen aufzubauen.

1959 - Das Seitenwagengespann Strub-Siffert gewinnt mehrere Rennen zum Beispiel in Zandvoort, Zeltweg, Helsinki und Madrid und belegt den 3. Platz in der Weltmeisterschaft.
In diesem Jahr wird Siffert mit seiner Norton 350 ccm auch Schweizer Meister in dieser Kategorie.

1960 - Seppi, so sein Spitzname, erwirbt eine Rennfahrerlizenz und kauft einen Stanguellini Formel Junior. Neben seinen sportlichen Aktivitäten handelt Siffert mit Gebrauchtwagen um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Um besser konkurrenzfähig zu sein, interessiert er sich für einen Lotus 18.

1961 - Siffert nimmt neben Bergrennen und Slaloms in der Schweiz vor allem in der Formel Junior Europameisterschaft mit seinem Lotus 18 teil und kann auch erste Siege feiern. Das 1000 KM Rennen auf dem Nürburgring ist sein erster Einsatz auf einem Ferrari, wo Siffert den 15. Rang belegt.

1962 - Joseph debütiert auf einem Lotus 22 und später auf einem Lotus 24 mit Climax Motor als Fahrer der Scuderia Filipinetti aus Genf in der Formel 1. Ein sechster und ein zehnter Rang sind seine besten Platzierungen.


1963 - Seppi bestreitet die komplette Saison der Formel 1 Weltmeisterschaft und wird am Ende der Saison als bester «Unabhängiger» ausgezeichnet. Nicht zur Formel 1 Weltmeisterschaft zählend gewinnt Siffert im April in Syracuse sein erstes Grand Prix Rennen. Er gewinnt auch mit dem 6. Rang beim GP de France des Automobil Clubs de France (ACF) am Steuer seines Lotus 24 sein ersten Punkte in der Jahreswertung.
Während der Saison verlässt er nach Streitigkeiten mit den Verantwortlichen die Scuderia Filipinetti und gründet seinen eigenen Rennstall, das «Siffert Racing Team» mit seinen Mechanikern Heini Mader und Jean-Pierre Oberson.

1964 - Joseph nimmt wieder als «Unabhängiger» bei Formel 1 Weltmeisterschaften teil, diesmal auf einem Brabham-BRM. Beim Grand-Prix auf dem Nürburgring belegt er Platz vier und gewinnt den GP de la Méditerranée in Sizilien (der nicht zur Formel 1 Weltmeisterschaft zählte) vor dem amtierenden Weltmeister Jim Clark!
Auch an der Langstreckenrennen Weltmeisterschaft nimmt Siffert in diesem Jahr wieder teil, so zum Beispiel am 1000km Rennen auf dem Nürburgring (wo er als achter auf einem Schiller Racing Team Porsche 904 platziert wurde).
Im Herbst vereinbart er eine Zusammenarbeit mit dem Rob Walker Racing Team in England und fuhr auf Anhieb auf das Podium (Platz 3) beim Grand Prix in Watkins Glen (USA)!

1965 - Siffert erhält bei Rob Walker eine Vollzeitanstellung und wurde dann leider beim Saisonstart durch einen Unfall beeinträchtigt. Schon sechs Wochen beendet Siffert den Grand Prix Monaco auf dem 6. Platz! Zudem erringt er wiederum beim GP de la Méditerranée den sensationellen ersten Platz, erneut vor Jim Clark. Am 24 Stunden Rennen von Le Mans startet er in einem Maserati, musste ab später aufgeben. In der Schweiz feiert er einen grossen Erfolg am Bergrennen St-Ursanne-Les Rangiers und gewinnt am Ende der Saison die «BP Racing Trophy», die höchste Auszeichnung und Anerkennung für Schweizer Rennfahrer.

1966 - Joseph arbeitet weiterhin mit Rob Walker zusammen und fährt dabei den nicht konkurrenzfähigen Cooper mit Maserati-Motor. Was sich auch auf die Resultate und somit seine Punktzahl im Wettbewerb negativ auswirkt.
Bei den Langstreckenrennen wird er vom Porsche-Werk ab dem 24 Stunden Rennen von Le Mans verpflichtet, Siffert dankt es Porsche mit dem vierten Rang. Zusammen mit dem Engländer Colin Davis gewinnt er den Performance Index.
Auch bei den Bergrennen läuft es gut für Siffert und er kann das Bergrennen St.Ursanne-Les Rangiers auf dem Cooper T81 gewinnen.

1967 - Seppi fährt nun für drei verschieden Rennställe: in der Formel 1 für Rob Walker, bei Langstreckenrennen für Porsche und für BMW in der Formel 2. In der der Formel 1 bleiben seine Resultate mit dem Cooper durchschnittlich (vierter Platz bei GP de France in Frankreich und beim GP in USA). In der Formel 2 sind die Resultate wesentlich besser (z.B. Sieg in Les Rangiers) und noch besser vor allem bei den Langstreckenrennen mit seinem Teamkollegen Hans Herrmann (D) auf Porsche 910 und 907 (vierter in Daytona, vierter in Sebring, fünfter in Monza, zweiter in Spa, fünfter in Le Mans und dritter in Brands Hatch).

1968 - Eine aus verschiedenen Gründen ausgezeichnete Saison für Siffert. Er erringt seine ersten Siege in der Markenweltmeisterschaft (Langstreckenrennen) in Daytona, Sebring, Nürburgring und Zeltweg.
Und vor allem ist er der erste Schweizer überhaupt, der einen zur Weltmeisterschaft zählenden Grand Prix gewonnen hat. Am 20. Juli anlässlich des Grossen Preises von England in Brands Hatch erkämpfte sich Siffert auf dem ihm von Rob Walker zur Verfügung gestellten Lotus 49B mit Cosworth-V8-Motor vor den Ferraris von Chris Amon und Jacky Ickx den Sieg.
In Mexiko gelingt ihm dank Trainingsbestzeit seine erste Pole-Position. Am Ende der Saison belegte er den siebten Platz in der Gesamtwertung.
Schon kann das Bergrennen von Les Rangiers zum vierten Mal hintereinander gewinnen. Mit ein Grund, ihn zum zweiten Mal mit der «BP Racing Trophy» auszuzeichnen.

1969 - Mit seinem britischen Teamkollegen Brian Redman beherrscht er die Langstreckenrennen Rennen mit sechs Siegen in zehn Rennen (Brands Hatch, Monza, Spa, Nürburgring, Watkins Glen und Zeltweg) und ermöglicht damit dem Porsche Werksteam den ersten von vielen späteren Weltmeistertitel in dieser Disziplin zu gewinnen. In Zeltweg siegte er am Steuer des Porsche 917, der später zum Rennwagen des 20. Jahrhunderts gekürt wurde. In der Formel 1 (immer noch mit seinem Lotus/Walker unterwegs) ist seine Ausbeute ebenfalls hervorragend: zweiter in Holland, dritter in Monaco und vierter in Südafrika mit dem abschliessenden neunten Platz in der Gesamtwertung der Weltmeisterschaft.

1970 - Nach fünf Saisons bei Rob Walker und trotz der vielen Aufrufe von Ferrari entscheidet sich Siffert für das englische Werk March, ein «Newcomer» in der Welt der Grand Prix Rennen. Keine gute Wahl, den es gelingt dem enttäuschten Siffert nicht, Punkte in der Weltmeisterschaft einzufahren. Hingegen mildern Erfolge auf Porsche in den Langstreckenrennen (Spa, Targa Florio und Zeltweg) und in der Formel 2 auf BMW (Sieg in Rouen vor Clay Regazzoni, zweiter Platz in Enna hinter Clay Regazzoni) seine Enttäuschung.
Zu den Dreharbeiten zum Film «Le Mans», koproduziert von Steve McQueen, organisierte Siffert die meisten Rennfahrzeuge für die Aufnahmen auf der Sarthe Rennstrecke in Le Mans. Ein einzigartiges Abenteuer und eine spezielle Erfahrung.

1971 - Laut Fachleuten gehört Jo damals zu den fünf besten Rennfahrern der Welt. Zusammen mit dem Mexikaner Pedro Rodriguez fährt er im BRM-Team und zählt bei jedem Rennen als Sieganwärter. Er gewinnt den Grand Prix in Österreich souverän und wird zweiter im Oktober in USA. Bei den Langstreckenrennen mit seinem neuen Team Kollegen Derek Bell hat Siffert weniger Glück. Ein einziger Sieg (Buenos Aires), vier zweite Plätze (Monza, Spa, Nürburgring, Watkins Glen) und ein dritter Platz (Brands Hatch) gelingt dem Team Bell/Siffert auf Porsche.
Wie 1969 nimmt Siffert an der CanAm-Serie in Kanada und Amerika teil und belegt den ausgezeichneten vierten Gesamtrang am Steuer des Porsche 917-10. Da ihm das mit minimaler Infrastruktur und dank den beiden Mechanikern Edi Wyss und Hugo Schibler gelingt, wertet diesen Erfolg noch auf.
Im Februar gewinnt er in Bogota (Kolumbien) auf einem Chevron (inzwischen Importeur der Marke für Europa) ein Formel 2 Rennen.
Die Familie Joseph und Simone Siffert wächst. Nach Tochter Véronique im Sommer 1969 kommt Ende Januar Sohn Philippe zur Welt.

Am 24. Oktober 1971, an seinem… 41. Rennen der Saison, nimmt er am «Victory Race» auf der Rennstrecke von Brands Hatch teil, das zur Feier des Weltmeistertitels und zu Ehren von Jackie Stewart durchgeführt wurde und nicht zur Weltmeisterschaft zählte. Mit seinem BRM P160 qualifiziert sich Siffert für die Poleposition, verpasst den Start komplett und holt dann wieder zügig bis zum vierten Rang auf. In der fünfzehnten von insgesamt 40 Runden kommt Siffert auf seinem BRM P160 wahrscheinlich wegen eines Radaufhängungsbruchs bei «Hawthorn Bend» sehr heftig von der Piste ab und steht sofort in Flammen. Die Rettungsdienste erweisen sich leider als zu langsam, zu unwirksam und letztendlich als zu machtlos. In dem brennenden BRM P160 gefangen stirbt die lebende Legende Jo Siffert. Umso tragischer, weil er nach dem Aufprall gemäss der Autopsie «nur» ein Bein gebrochen hatte.
In der Schweiz verbreitet sich die Nachricht von seinem Tod wie ein Lauffeuer und das ganze Land steht unter Schock. Fünf Tage später begleiteten 50’000 Personen Jo Siffert auf seiner letzten Fahrt zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Friedhof von Freiburg.

Seit vielen Jahren, auf der Veranlassung von Urban Stöckli und Adolphe Sapin, treffen sich jeden 24. Oktober um 14.18 Uhr mehrere Dutzend Freunde und Fans aus der ganzen Schweiz am Grab von Jo Siffert und verharren in Andacht.

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